Tierpark Nordhorn und NABU helfen geschützten Nashornkäfern

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Das charakteristische, gebogene Horn auf der Oberseite des Kopfes ist bei diesem jungen Nashornkäfer-Männchen gut zu erkennen. Weibliche Tiere sind hornlos. Foto: Wilfried Jürges
Die geschützten Nashornkäfer gehören zu den imposantesten Käfern in Deutschland. Dank eines aufmerksamen Bürgers konnte eine Population nun durch den Tierpark Nordhorn und den NABU Grafschaft Bentheim erfolgreich gerettet und umgesiedelt werden.
Fund in Emlichheim
Spätestens beim Anblick der acht bis zwölf Zentimeter langen weißlich gefärbten, daumendicken, walzenförmigen Larven unterscheiden sich vermutlich die Ansichten. Die einen werden sich angeekelt wegdrehen, während die anderen interessiert hinschauen und staunen. Günther Tüchter aus Emlichheim tat letzteres, wühlte noch etwas tiefer im Pferdemisthaufen auf dem Grundstück seiner Tochter und entdeckte so schließlich auch die zu den Larven gehörenden Käferstadien. Doch ganz sicher, was er da gefunden hatte, war er sich nicht. Darum fotografierte er sowohl die braun-glänzenden, zwei bis vier Zentimeter langen Käfer als auch ihre dicken Larven und schickte die Bilder per Emailanfrage an den Tierpark Nordhorn.

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Im Vergleich zu den 2-4cm kleinen Käfern links im Bild sind die 8-12cm langen Larvenrechts im Bild erstaunlich groß und dick. Foto: Wilfried Jürges
„Solche Anfragen bekommen wir öfter“, so Zootierärztin und Kuratorin Dr. Heike Weber. Als regionales Arten- und Naturschutzzentrum betreibt der Tierpark Nordhorn auch eine Auffangstation für bedrohte Wildtiere. Hierher gelangen nicht nur Anfragen zu verletzten Wildtieren, sondern auch zu gefundenen Exoten oder eben „unbekannten“ Fundtieren, wie den Käfern aus Emlichheim. Anhand der Fotos konnte Weber die Insekten eindeutig als Nashornkäfer (Oryctes nasicornis) und deren Larvenstadien identifizieren. „Das Horn auf der Oberseite des Kopfes der männlichen Käfer ist absolut charakteristisch. Wer es einmal gesehen hat, wird einen männlichen Nashornkäfer immer wieder erkennen“ erklärt Weber. Die weiblichen Tiere sowie die Larvenstadien sind dagegen schon leichter mit anderen Arten verwechselbar. Die Larven der Maikäfer sehen zum Beispiel ähnlich aus, sind aber nicht mal halb so groß wie Nashornkäferlarven. Bei beiden, zur Familie der Blatthornkäfer gehörenden Arten, leben die Larvenstadien bis zur Verpuppung ungefähr drei bis fünf Jahre lang im Verborgenen. Die geschlüpften Käfer, auch Imago genannt, haben dagegen nur eine Lebensdauer von vier bis sechs Wochen. In dieser kurzen Zeit, die meist in die Monate Mai/Juni fällt, kann man mit viel Glück Nashornkäfer auf ihren „Brautschauflügen“ beobachten. War die Paarung erfolgreich, müssen die Weibchen einen geeigneten Ort zur Eiablage finden bevor sie, so wie auch die Männchen, sterben.
Geschützte Tierart
Die Larven ernähren sich von Holz Mulm, also stark zersetztem Totholz. Sie benötigen als Lebensraum naturnahe Wälder mit vielen liegengebliebenen, abgestorbenen Baumstämmen. Da in unseren heutigen Wäldern „aufgeräumt“ und Totholz meist entfernt wird, sind viele Mulm-Käferarten bereits vom Aussterben bedroht. Nashornkäfer jedoch haben sich der veränderten Situation angepasst. Man findet sie in Mitteleuropa mittlerweile häufiger in Kompost- oder Misthaufen, insbesondere, wenn dort auch Sägespäne oder Totholz mit eingearbeitet werden wie im eingangs erwähnten Fall.
Nun gelten in Deutschland Nashornkäfer laut Bundesartenschutzverordnung als besonders geschützte Tierart. Im Bundesnaturschutzgesetzt steht unter anderem, dass es verboten ist sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen. Herr Tüchter musste aber den Pferdemist ausbringen aufs Feld, was die Käferlarven sicher nicht überlebt hätten.

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Der Fund von insgesamt 55 Larven und 15 ausgewachsenen Nashornkäfern im Misthaufen freut alle Beteiligten (von links): Günther Tüchter, Dr. Heike Weber, Wilfried Jürges. Foto: Foto: Wilfried Jürges
Insofern plante der Tierpark Nordhorn gemeinsam mit Wilfried Jürges vom NABU Grafschaft Bentheim und der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde daher eine Umsiedelung der Käfer und der Larven. „Die NABU Fotogruppe Grafschaft Bentheim, deren Mitglied ich bin, hat 2015 mit dem Aufbau der NABU Naturstation „Weiße Riete“ in Schüttorf begonnen“, erzählt Jürges. Mittlerweile sei es ein kleines Naturparadies, das vielen Tierarten geeignete Lebensbedingungen bietet. Begeistert berichtet der passionierte Naturschützer über Vogel- und Säugetierarten, die er dort schon beobachten konnte. Und ergänzt: „Unter anderem haben wir vor einigen Jahren im hinteren, an einen Waldstreifen angrenzenden Bereich, zwei Käfermieten angelegt“. Eine hätten bereits Hirschkäfer und Waldameisen belegt, aber die andere sei noch frei gewesen. Ein perfekter Standort für Nashornkäfer, meinte auch die Untere Naturschutzbehörde und stimmte der Umsiedelung zu.
55 Larvenstadien und 15 Imagi
So kam es zum Arbeitseinsatz in Gummistiefeln, mit Forke in der and und großen Kübeln für Pferdemist und Käferlarven. Denn wichtig ist vor allem, dass neben den Tieren auch ein Teil des ursprünglichen Substrates mit umzieht. Insgesamt konnten Tüchter, Weber und Jürges nach knapp einer Stunde Arbeit 55 Larvenstadien und 15 Imagi, also fertige Käfer, im Misthaufen finden und umsiedeln. Ein paar sind vor Ort geblieben, in einem Reststück des Misthaufens, das der „Käferretter“ Günther Tüchter erhalten wird.
„Es ist richtig schön zu erleben, dass es doch immer wieder Menschen gibt, die sich für Tiere interessieren, sich sorgen und bei uns im Tierpark um Rat fragen“ freut sich die Zootierärztin. Hinsehen, sich bei geeigneten Stellen informieren und dann gemeinsam überlegen, was getan werden kann, das sei genau der richtige Weg. Ob es sich nun um Käfer und deren Larven oder – wie häufiger – um andere Tierarten aus den Klassen der Vögel oder Säugetiere handele. Und sie mahnt nochmal: Übereiltes Eingreifen und vorschnelles „Einsammeln“ von vermeintlich hilfebedürftigen Tieren komme leider immer noch viel zu häufig vor. Der Griff zum Telefonhörer oder das Schreiben einer Email wie im Falle der Nashornkäfer sollte stattdessen an erster Stelle stehen.