Ausstellung in Neuenhaus thematisiert Ukraine-Krieg

Blick auf das Werk „It is happening there“ von Khaled Al Saai aus einer früheren Ausstellung, und auf das Werk „Körper versucht mit der Geschichte mitzuhalten“ von Kateryna Lisovenko aus der aktuellen Ausstellung in den Räumlichkeiten des Kunstvereins Grafschaft Bentheim. Foto: Meistermann
Ende 2021 und Anfang 2022 ließen Truppenbewegungen Russlands in Richtung Ukraine verstärkt die westliche Welt aufhorchen, doch was dann im Februar geschah, damit hatten wohl die wenigsten Experten aus Militär, Geheimdienst und Politik gerechnet. Der russische Präsident Wladimir Putin erteilte seinen Truppen den Befehl, die benachbarte Ukraine zu überfallen.
Offiziell wurde von einer „Spezialoperation“ gesprochen, deren Ziel es sei, angeblich starke faschistische Kräfte in der Ukraine, die Russland feindlich gegenüber stünden, zu bekämpfen. Mit viel Propaganda wurde das Opfer zum Täter gemacht. Nach über einem Jahr kriegerischer Handlungen, die von russischer Seite vor allem gegen die Zivilbevölkerung gerichtet waren, ist immer noch kein Ende abzusehen.
Die Eindrücke von Krieg, Zerstörung, Flucht und Vertreibung treiben neben führenden Vertretern von Politik, Verwaltung und Militär auch die ukrainischen Künstlerinnen Kateryna Lysovenko (*1989, Kyiv)) und Masha Pryven (*1988, Luhansk) um. Eine Ausstellung mit Werken der beiden Frauen ist aktuell in den Räumlichkeiten des Kunstvereins Grafschaft Bentheim zu sehen.
Beide thematisieren in unterschiedlichen Medien und Herangehensweisen den immer noch laufenden Angriffskrieg Russlands auf ihr Heimatland. Die Malerin Katerina Lysovenko stellt persönliche und gruppenbezogene Gefühle in einen kollektiv-historischen Kontext Europas, indem sie Wesen aus Fabeln und Mythologie einbezieht.
Die Fotografin Masha Pryven fügt die Zeugnisse individueller Schicksale zu einem beeindruckenden und äußerst berührenden Bilderatlas sich wiederholender Kriegs- und Fluchterfahrungen zusammen.
Kateryna Lysovenko zeigt in den Räumlichkeiten des Kunstvereins an der Hauptstraße in Neuenhaus drei großformatige Acrylmalereien und acht Wasserfarbmalereien auf Papier. Für die Künstlerin ist die Malerei eine zweite Stimme, in welcher sie Traumata infolge des Krieges mit Hilfe von Fantasiefiguren und Traumszenarien zum Ausdruck bringt.
Masha Pryvens Arbeit „Sehe was ich sehe“ (2022 – fortlaufend) ist eine Art Archiv, das aus einem engen Netzwerk zwischen der Künstlerin und rund 30 Einzelpersonen besteht. Seit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 haben Ukrainer und Unterstützer innerhalb und außerhalb der Ukraine spontane und globale Netzwerke gebildet, die Menschen bei der Flucht helfen und humanitäre sowie militärische Hilfe leistet.
Aus diesen Kontakten, mit denen sich Masha Pryven vor allem über soziale Medien austauscht, entstand die Idee der Fotografin, zunächst ihre eigenen Smartphone-Fotos und die damit verbundenen Erlebnisse zu sammeln. Die Einzelpersonen, mit denen sie in Kontakt steht, nehmen durch die von ihnen geschickten Bilder Einfluss auf die Sammlung von Masha Pryven und damit auf ihr Werk „Sehen was ich sehe“. Sie werden zu Co-Archivaren.
In der Ausstellung „hinsehen“ in Neuenhaus trifft also die Authenzität des direkt vermittelten Blicks in Masha Pryvens Werk auf die fantastische aber auch gleichzeitig düstere Realität der Malerei von Kateryna Lysovenko.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Repräsentation von Krieg in der Bildenden Kunst immer wieder hinterfragt. Wo liegen ihre ethischen und ästhetischen Grenzen? Beide Positionen dieser Ausstellung zeigen den radikalen Ausdruck von Menschen, die die Erfahrung des Krieges gemacht haben und sie jetzt zeigen.
Eine Wandfreilegung im hinteren Bereich des Ausstellungsgebäudes legt dann noch den letzten Teil der Wandcollage des syrischen Künstlers Khaled Al Saai aus dem Jahr 2016 offen, die den Krieg und die Fluchtbewegungen in seiner Heimat thematisiert. Auch der Krieg in der Ukraine und seine Geflüchteten wecken Erinnerungen an das Jahr 2015 mit seiner großen Migration aus Syrien. Gleichzeitig wirkt der Krieg Russlands in Syrien im gleichen Jahr wie eine Übung für den heutigen Terror gegen die Zivilbevölkerung in der Ukraine – der damals keine nennenswerten Sanktionen des Westens nach sich zog.
Die Ausstellung des Kunstvereins Grafschaft Bentheim ist noch bis zum 14. Mai zu folgenden Zeiten zu sehen: Donnerstag bis Sonntag jeweils von 15 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung. Der Eintritt ist kostenfrei.
Nähere Informationen: www.kvgb.de